Diesen Artikel schrieb ich bereits im Mai 2017. Ich habe ihn damals nicht veröffentlicht und seit dem ging meine Reise natürlich weiter. Doch weil die Essenz der Geschichte weiterhin stimmt, veröffentliche ich ihn hier dennoch unverändert.
Wo war ich vor fünf Jahren? Was ist es mir gelungen und wie kam es dazu, dass ich heute dort bin, wo ich bin? Ich nehme dich mit, auf eine erste Zeitreise, um diesen Fragen auf zu den Grund zu gehen.
Leben auf dem Bahnhof
Im Jahr 2011 lebte ich noch in eine Stadt, die mir, selbst an sonnigen Tagen, stets sehr grau und trist vorkam. Meine Wohnung befand sich in unmittelbarer Bahnhofsnähe. Von meinem Wohnzimmerfenster hatte ich einen ausgezeichneten Blick auf die Bahnhofsuhr und den Bahnsteig. Öffnete ich morgens das Fenster, hallte die Bahnsteigansage herauf. Das war sehr praktisch, da ich auf diese Weise stets wusste, ob mein Zug pünktlich war oder nicht. Doch vor allem war es laut und alles andere als gemütlich.
Ich arbeitete damals in einem Callcenter und verdiente ausreichend, um mir alles leisten zu können, was ich zu brauchen glaubte. Mit meinen Vorgesetzten und meinen Arbeitskollegen kam ich die meiste Zeit gut zurecht und in meinem Team fühlte ich mich wohl. Vor allem war meine Stelle relativ sicher, da ich ein Mitglied des Betriebsrates war.
Damit hätte ich zufrieden sein können. War ich aber nicht.
Ich hatte Träume
Nach der Schule hatte ich eine Ausbildung zur Erzieherin angefangen. Im Laufe der Jahre hatte ich diesen Wirkungsbereich, zu Gunsten der Bürotätigkeit, hinter mir gelassen. Nun sehnte ich mich danach, mich wieder mit Kindern zu beschäftigen. Ich wollte sie begleiten, sie an meinen Erfahrungen teilhaben lassen und mich von ihrer natürlichen Lebensfreude anstecken lassen.
Außerdem träumte ich davon, in einem Haus mit Garten zu wohnen, statt in dieser Wohnung, die beinahe auf dem Bahnhof lag.
Ich hatte Träume.
Ich tat nur nichts, damit diese Realität werden konnten.
Immer wieder dachte über sie nach, malte mir in einer Fantasie aus, wie es denn sein könnte, und träumte vor mich hin. Dabei lebte ich mein Leben unverändert weiter.
Ich fuhr mit dem Zug oder der Straßenbahn jeden Tag zur Arbeit. Meine Freizeit verbrachte ich mit einem sehr zeitintensiven Hobby, dank dem ich immerhin regelmäßigen Kontakt zu Freunden und Familienmitgliedern hatte. Eben diese Menschen, die mir nahe Standen, waren mir sehr, sehr wichtig. Das sind sie heute noch. Damals war ich allerdings von ihrer Nähe regelrecht blockiert. Ich blockierte mich selbst, da ich diese Nähe haben wollte und mir unterbewusst klar war, dass ich nicht beides würde haben können - die Nähe zu Freunden und der Familie und die Erfüllung meiner Träume.
Ich tat also nichts. Es gab keinen Bausparvertrag, dank dem ich mir ein Haus hätte leisten können. Ich sah mich noch nicht einmal nach Immobilien um und dachte auch nicht über die Möglichkeit nach, eine zu mieten. Selbst nach einer neuen Arbeitsstelle suchte ich nicht, um wenigstens wieder Kinder begleiten zu können. Einem Teil von mir was das, mit dem Hintergrund des sicheren Jobs beim Callcenter, zu aufwendig. Ein anderer Teil sehnte sich aber so sehr nach der Erfüllung dieser Träume, dass ich eine einmalige Gelegenheit erhielt.
Es war ein Angebot von Menschen, die ich heutzutage als Familie bezeichne, ein neues Leben zu beginnen. Es bedeutete, meine Arbeitsstelle, meine Wohnung, Freunde und Familie hinter mir zu lassen und umzuziehen - und zwar mal eben 350km weit weg. Für mich kam das damals einer Weltreise ziemlich nahe.
Es fiel mir so schwer, Familie und Freunde hinter mir zu lassen; viel schwerer, als den Job, denn eigentlich wollte ich ohnehin längst was anderes machen. Die Wohnung vermisste ich ganz bestimmt nicht, aber eben Familie und Freunde. Und trotzdem ging ich den Schritt.
Ich tat etwas für mich vollkommen Neues
Es sollte darum gehen, nicht nur in ein Haus mit einem Garten zu ziehen, sondern auf einen alten Resthof, den wir gemeinsam zu einem neuen Hof, einem Abenteuer-Permakultur-Hof ausbauen wollten. Das war etwas, mit dem ich mich vorher noch nie befasst hatte.
Als ich damals meiner Mutter erzählte, ich wollte auf einen Bauernhof aufs Land ziehen, schlug sie die Hände über den Kopf zusammen und sagte: „Kind, du hast doch gar keinen grünen Daumen!“ Und damit lag sie absolut passend. Zimmerpflanzen gingen bei mir regelmäßig ein.
Dennoch war ich fasziniert von dieser Idee, etwas Neues anzufangen. Ich ließ mich von der Begeisterung der Anderen anstecken und war bereit, einen Neubeginn zu wagen. Ich beschäftigte mich mit dem, was ich als Nächstes tun würde.
Der Umzug auf den Hof, einen bisher konventionell geführten Garten für die permakulturelle Nutzung umzugestalten und - was genau bedeutete eigentlich Permakultur?
Ich hatte keine Ahnung und so las ich mich erst einmal in die Theorie ein, um in den darauf folgenden Monaten etliches in der Praxis auszuprobieren.
Außerdem hatten wir den Gedanken, Tiere zu halten. Abgesehen von meinen Katzen und meinem Hund hatte ich mich nie weiter mit Tieren beschäftigt. Jetzt sollte es auf einmal um Hühner, Enten und Puten gehen; möglicherweise sogar um Schweine, Schafe und Ziegen. Wir hatten wirklich riesige Träume. Wir wollten ein großes Projekt starten, das nicht nur eine kleine Gruppe, sondern idealerweise Familien betreffen sollte.
Es war so ein gewaltiger Schritt.
Hatte ich Angst? Ohja. Und wie! Aber ich bin ihn gegangen. Freunde und Familie ließ ich mit einem weinenden Auge hinter mir, während ich mich mit einem Lächeln im Gesicht auf das Neue freute. Und das war unglaublich.
Es war ein Traum
Wir zogen auf diesen Hof und zumindest in der Anfangszeit war es der Traum, den ich haben wollte. Ich erinnere mich, dass ich mit einer Schubkarre voll Stroh um das Haus herum lief und dachte: „Was für ein geiler Urlaub.“ Und gleich darauf dachte ich: „Das ist kein Urlaub. Das ist jetzt mein Leben.“ Das war so ein unglaubliches Gefühl. Und das war noch nicht alles.
Da ich, ebenso wie die anderen der Gemeinschaft, meine Arbeitsstelle gekündigt hatte, kam erst einmal kaum Geld ins Haus.
In meiner Vorstellung ließen sich meine beiden Träume, auf dem Hof zu wirken und Kinder zu begleiten, miteinander vereinbaren.
Die für mich zuständige Mitarbeiterin in der Arbeitsagentur sah das anders. Ich hatte zuletzt in einem Büro gearbeitet und dort wollte sie mich auch wieder hinstecken - ungeachtet der Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt.
Da mir das nicht zusagte informierte ich mich eigenständig und knüpfte Kontakte in der Region. Ich setzte mich durch, in dem ich ehrenamtlich in einer Kinderbetreuung half, eine geringfügige Stelle als pädagogische Fachkraft an der örtlichen Grundschule erhielt und mit der Ausbildung zur Tagesmutter begann.
In den darauf folgenden vier Jahren zählte ich zu den beliebtesten Tagesmüttern der Kreisstadt. Die meiste Zeit war ich ausgebucht und hatte Eltern mit ihren Kindern abzuweisen. Und obwohl auf dem Hof vieles anders lief, als ich es mir idealerweise wünschte, lebte ich auch dort meinen Traum. Ich hatte erreicht, was fünf Jahre zuvor noch meine Fantasie gewesen war.
Wie ist mir dies gelungen? In erster Linie, weil ich stets weiter geträumt habe. Und genau das empfehle ich auch dir: Male dir deinen Traum in den buntesten Farben und in den detailreichsten Facetten aus. Wer weiß, wo du in fünf Jahren sein wirst?
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